Donnerstag, 17. April 2014

Umwelt und Verkehr - Gegenwart und Mittelalter

Zahlreiche aktuelle Verkehrsprojekte mit ihren politischen Auseinandersetzungen wie beispielsweise das Bahnhofsprojekt ‚Stuttgart 21’ oder der Ausbau der A100 in Berlin zeigen, wie Verkehr und Straße in einen gesamtgesellschaftlichen und ökologischen Kontext stehen. Das Phänomen Straße ist nicht isoliert als Thema von Technik- und Wirtschaftsgeschichte zu sehen – und schon gar nicht sollte eine historische Betrachtung von „Straße“ diese als Kriterium für Modernität und Fortschritt werten.
Die aktuellen Debatten um den Verkehr zeigen eine Vielzahl von Problemfeldern und Interessenskonflikten:
  • Schadstoffemissionen / Treibhausgase
  • Energieverbrauch des Verkehrs
  • Lärmbelästigung
  • Flächenverbrauch
    • Bodenversiegelung
    • Landschaftszerschneidung
  • Landschafts- und Bodeneingriffe und ihre Risiken für Hydrologie und Geologie
  • Konkurrenzsituationen der Landnutzung
  • Steigendes Verkehrsaufkommen/ Frachtkapazitäten
  • Transport- und Mobilitätsbedarf als Folge einer verteilten räumlichen Organisation
  • Verlagerungen Straße – Schiene – Luft – Wasser
  • Mobilität als gesellschaftlicher Wert
Einige dieser Themen mögen für die vorindustrielle Zeit zu vernachlässigen sein – so etwa die Schadstoffemissionen und Treibhausgase und wohl auch das Problem der Bodenversiegelung und Landschaftszerschneidung. Aber auch ohne Autoverkehr sind Straßen eng mit unserer Umwelt verzahnt.

Als Beitrag zu einem Sammelband, der sich dem Thema "Straßen von der Frühgeschichte bis in die Moderne widmet", habe ich versucht, ausgehend von diesen modernen Problemen, mittelalterliche Straßen umwelthistorisch zu betrachten.

  • R. Schreg, Verkehr und Umwelt - Herausforderungen und Interessenskonflikte in Mittelalter und früher Neuzeit. In: T. Fischer/ H.G. Horn (Hrsg.), Straßen von der Frühgeschichte bis in die Moderne. ZAKMIRA-Schriften 10 (Wiesbaden: Reichert 2013) 147-167 - online bei academia.edu
Nach einer Charakterisierung der Verkehrswege im Mittelalter, die v.a. durch unbefestigte Straßen geprägt werden (vergl. Archaeologik [10.9.2012]: Eine unbefestigte Fernstraße) wird untersucht, was zu Verlagerungen des Verkehrs geführt hat. Diskutiert wird die Entstehung neuer Zentren, was im Rahmen der Stadtgründungen des Spätmittelalters eine recht weit verbreitete Entwicklung war. Daneben spielen aber auch Umweltveränderungen eine wichtige Rolle, die sich insbesondere an der Konkurrenzsituation von Wasser und Straße zeigen. Ausgehend von dem strukturellen Wandel des Verkehrs in staufischer Zeit werden einige technische Verbesserungen in Anschirrung und Wagenbau angesprochen. 

Pfahljochbrücke bei Neckarhausen oberhalb von Horb am Neckar
Die Brücke ist dendrochronologisch ins Jahr 1256 datiert.
(Foto: R. Schreg, 2000)
Die modernen Probleme des Verkehrs sind im Detail völlig andere als in vorindustrieller Zeit. Eine umwelthistorische Betrachtung mittelalterlicher Straßen macht jedoch deutlich, dass Verkehr schon immer ein Teil des gesamten Humanökosystems war. Technische Entwicklungen, soziale Veränderungen wie auch anthropogene Umweltveränderungen hängen eng miteinander zusammen und haben langfristige Folgen. Eine archäologische Altstraßenforschung sollte deshalb über die bislang die Forschung dominierenden Fragen nach Technik und Topographie der Straßen ausgreifen und diese Zusammenhänge genauer unter die Lupe nehmen.


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