Freitag, 28. März 2014

Sieben Stücke des Seuso-Hortfundes durch Ungarn angekauft

Gastbeitrag von László Matthias Simon

„Wenn ein Land Stärke und Ansehen besitzt, dann ist es in der Lage zurück zu erlangen, was ihm gehört.“ Unter diesem Leitspruch Orbáns hat die ungarische Regierung mit ihrem nationalistischen Geschichtsverständnis für 15 Millionen Euro sieben Stücke des sog. Seuso-Hortfundes angekauft, unter ihnen die namensgebende „Seuso“-Schale. 

Beim Seuso-Hortfund  – auch Seuso-„Schatz“ – handelt es sich um 14 Silbergegenstände, die Anfang der 80er Jahre auf dem Kunstmarkt auftauchten (Eintrag bei wikipedia). Sie datieren vermutlich ins vierte Jahrhundert nach Christus und sind nach der Namensaufschrift „SEVSO“ auf einer der Schalen benannt. Für eine ungarische Provenienz sprechen Vergleichsfunde aus Ungarn und die Aufschrift „PELSO“ auf einem der Gefäße. „LACUS PELSO“ wurde in der Antike der Plattensee (ungarisch Balaton) genannt. Deshalb wird seit 25 Jahren von ungarischer Seite eine „Rückführung“ angestrebt. Jedoch ist die tatsächliche Provenienz der Stücke immer noch nicht geklärt, ebenso wenig, ob diese einen zusammenhängenden Fund darstellen oder von Sammlern zusammen getragen wurden. 1993 wurden die Rückführungsklagen Ungarns, Jugoslawiens und des Libanon durch das höchste Gericht des Staates New York abgelehnt.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán
setzt Geschichte und Archäologie als Mittel
nationalistischer Politik ein.
Teure Ankäufe von Raubgrabungsgut auf der einen,
Kürzung und Behinderung der Denkmalpflege
auf der anderen Seite.
(Foto: http://www.kormany.hu [ungar. Regierung],
[CC BY-SA 2.5], via Wikimedia Commons)
Auf einer Pressekonferenz am 26.03.2014 berichtete der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán über die Umstände des Ankaufs. Vertreter des Konsortiums, das bislang Eigentümer der Objekte war, hätten bereits vor eineinhalb Jahren direkten Kontakt zu den ungarischen Behörden aufgenommen. „Wenn er [der Hortfund] unser Eigentum ist, ist es besser, er ist bei uns, als bei jemand anderem. Auch deshalb haben wir uns für seine Heimholung entschieden.“ so Orbán. Die von Orbán als „Familiensilber Ungarns“ bezeichneten Objekte wurden schließlich für umgerechnet 15 Millionen Euro, ein Drittel des 1990 von Sotheby’s veranschlagten Wertes, angekauft. Der Kaufpreis wurde bereits im Februar bekannt, jedoch war nicht klar, für was eine solche Summe ausgegeben wurde. Mit dem Kauf wurde ein weiteres aussichtsloses Verfahren umgangen.

József Pálinkás, Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, sieht einen großen Vorteil in der Nutzbarmachung der Stücke für ungarische Wissenschaftler. Für den Direktor des Museums der Schönen Künste, László Baán, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die restlichen Stücke ebenfalls nach Ungarn „zurückkehren“. Mit Lord Northampton, dem Leiter des Konsortiums, dem diese Stücke gehören, soll in Zukunft weiter verhandelt werden. Für drei Monate werden die Objekte (für EU-Bürger kostenlos) im Parlament ausgestellt sein. In Zukunft sollen sie als „Juwelen“ des neuen Museumsviertels in Budapest – einem der Prestigeprojekte der ungarischen Regierung – zum Besuchermagneten werden. Es ist zu vermuten, dass die ungarische Regierung im Rahmen der immer stärker werdenden nationalistischen Tendenzen in Zukunft weitere „ungarische“ Kunstobjekte ankaufen wird. Dies könnte den Schwarzmarkt für Antiquitäten aus der Region und damit auch die Raubgräberei in Ungarn befördern.



Links

Literatur
  • St. Bender, Buntmetallkesssel des sogennantes Seuso-Schatzes. Archäologisches Korrespondenzblatt 22, 1992, 119-124. 
  • M.M. Mango, Der Seuso Schatzfund. Ein Ensemble westlichen und östlichen Kunstschaffens. Antike Welt 21, 1990, 70-88.
  • Z. Visy/M. Zsolt (Hrsg.), A Seuso-kincs és Pannónia. Magyarországi tanulmányok a Seuso-kincsr´´o / The Sevso treasure and Pannonia: scientific contributions to the Sevso treasure from Hungary (Pécs 2012).

Nachtrag (30.3.2014)
Nun stellte sich heraus, dass die Stücke durch den „Kauf“ nicht offiziell in das Eigentum des ungarischen Staates übergegangen sind, sie wurden lediglich Besitzer der Objekte. Dennoch sieht man sich als rechtmäßiger Eigentümer. László Baán sagte hierzu im Fernsehen mehrfach, dass Ungarn „sich immer für den Eigentümer gehalten hat, dies jedoch nie [vor Gericht] beweisen konnte. […] Nun wurde eben auch der Besitz erlangt. […] Nach ungarischem Recht waren die Stücke immer ungarisches Eigentum. […] Niemand kann die Stücke von hier entfernen“. Daneben werden weitere Details der Verhandlungen und der Vereinbarung als Staatsgeheimnis eingestuft. Wie es sich mit der Eigentumsfrage also genau verhält bleibt unklar.


Keine Kommentare: