Dienstag, 25. Juni 2013

Zerstörungsfreie Archäologie - Landschaftsarchäologie und Geo-Archäometrie

Höhere Auflösung, Motorisierung, GPS-Lokalisierung und die Integration verschiedener Methoden bieten heute Möglichkeiten einer zerstörungsfreien Untersuchung von Fundplätzen, die vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbar waren. Sie eröffnen ungeahnte Chancen für die archäologische Forschung, zeigen aber auch, wie wichtig es ist, Fundaufsammlungen und Grabungen sorgfältig zu planen, um die Ergbnisse aller Methoden zu ermöglichen. Das beinhaltet beispielsweise eine möglichst exakte Einzelfundeinmessung, da Fundverlagerungen durch Pflug und Bodenerosion eben nicht vorausgesetzt werden dürfen und leicht überschätzt wird. Zudem erlaubt die Überlagerung der Verteilung von Funden mit dem geomagnetischen Messbild und deren statistische Bewertung oft auch noch dann Aussagen zur Datierung und Funktion von Befunden, wenn die Funde im Pflughorizont bereits verlagert sind. Die vor allem von Sondengängern lauthals vertretene Meinung, Funde aus dem Pflughorizont hätten ohnehin keinen Kontext mehr, erweist sich als grundlegend falsch.

Vom 29. Mai bis zum 2. Juni 2013 fand in Wien bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften die 10th International Conference on Archaeological Prospection statt. Ausgerichtet wurde die Konferenz von der ÖAW und dem Ludwig Boltzmann Institute  for Archaeological Prospection and Virtual Archaeology.
 
Archaeological Prospection 2013
10th International Conference on Archaeological Prospection
Austrian Academy of Sciences, Vienna, May 29th – June 2nd 2013

http://archpro.lbg.ac.at/archaeological-prospection-2013



Die Tagung legte einen Schwerpunkt auf die integrative Anwendung verschiedener Prospektionsverfahren (Luftbildarchäologie, airborne laser scanning, hyperspectral imaging, near-surface geophysics, Einzelfundeinmessungen). Zahlreiche Vorträge zeigte eindrücklich die Chancen eines solchen integrativen Ansatzes auf. Erfolgt die Zusammenführung der Daten in einem geographischen Informationssystem, so bietet die Visualisierung und Interpretation der Daten noch einige Probleme, an denen allerdings verschiedene Forschergruppen arbeiten. Neben den Sektionen zu den besagten integrativen Ansätzen, wurden darum vor allem Prozessierung und Visualisierung, die Rolle von GIS sowie Interpretation und Präsentation von Prospektionsdaten in eigenen Sektionen thematisiert.

Als Archäologe, der selbst nicht mit diesen Spezialfragen vertraut ist, kann und will ich zu einzelnen Beiträgen keine Einschätzung geben (die als pre-printed papers auch publiziert sind). Ich möchte stattdessen einen Gdeanken zur Forschungsgeschichte und Zukunftsperspekten archäologischer Prospektion skizzieren, die sich im Verlauf der Tagng ergeben haben.

Der Eröffungsblock der Tagung umfasste neben den obligatorischen Grußworten auch "Virtual keynotes by pioneers of archaeological prospection", in denen Martin Aitken, Irwin Scollar, Albert Hesse, Mike Tite, John C. Belshé, Yasushi Nishimura, Otto Braasch und Helmut Becker persönliche Perspektiven auf die Entwicklung archäologischer Prospektion gaben. In diesen keynotes versuchten verschiedene der Pioniere, Stufen der Entwicklung zu unterscheiden, die freilich ineinander fließen. Die Phase des "stamp collecting" wurde dabei immer wieder angesprochen.

In der Frühphase geophysikalischer Prospektion waren die Denkmalpflegeämter eine wichtige Kraft der Entwicklung der Methoden. Damals wurde erkannt, wie wichtig eine Prospektion im Vorfeld von Baumaßnahmen für die Bewertung eines Baugebietes und für die Planung von Notgrabungen ist. Jedenfalls in Deutschland ist es aber nicht gelungen, die geophysikalische Prospektion in den regulären denkmalpflegerischen Betrieb zu integrieren, obgleich etwa in Baden-Württemberg und Bayern entsprechende Stellen geschaffen worden sind. Inzwischen scheint die Initiative überwiegend bei privaten Firmen - Prospektionsanbietern wie Geräteherstellern - sowie bei Forschungseinrichtungen zu liegen.
Die rapide Entwicklung macht es den nur mit schmalem Haushalt ausgestatteten Denkmalämtern kaum möglich, mit der methodischen Entwicklung Schritt zu halten. Eine systematische Anwendung geophysikalischer Prospektion scheint nur über das Verursacherprinzip gegeben - das den Bauherrn immerhin die wichtige Planungssicherheit bietet. Dabei entstehen zahlreiche Datensätze, die allerdings das Problem der wissenschaftlichen Verwertbarkeit aufwerfen, wie dies auch schon bei zahlreichen Notgrabungen der Fall ist. Einerseits muss eine effektive Qualitätssicherung erfolgen, andererseits müssen aber auch die Ressourcen zur Verfügung stehen, um eine zeitnahe wissenschaftliche Auswertung vorzunehmen.
Die effektive Umsetzung der Daten in leicht nachvollziehbare Interpretationen ist eine der aktuellen Voraussetzungen.

Aktuelle integrative Ansätze gehen selbstverständlich von Geographischen Informationssystemen aus und beziehen sich auf landschaftsarchäologiche Fragestellungen. Insbesondere die großräumige Prospektion von Landschaften schafft hier immer wieder einen umfassenderen Blick auf räumliche Zusammenhänge innerhalb von Siedlungs-, aber auch von Sakrallandschaften.
Nur wenige Beiträge - allesamt in der umfangreichen und gut in die social events integrierte und damit deutlich aufgewertete Postersektion - haben einen etwas anderen Blick auf Prospektionsdaten geworfen. Sie nutzten die räumlich ausgewertete, geochemische und geophysikalische Analysen zur Rekonstruktion von Landnutzung bzw. zur Identifikation von Aktivitätszonen. Ziel ist hier nicht mehr die Identifikation von Baustrukturen, sondern die Auswertung der noch immer viel zu wenig verstandenen Veränderungen des Bodens in einem umwelt- oder sozialhistorischen Rahmen. Die Prospektionsfläche wird hier weniger als Landschaftsausschnitt, sondern eher als Teil eines Geosystems. Hier treffen sich geophysikalische Prospektion und Geo-Archäometrie. Meine Prognose: nach (oder eher neben) der landschaftsarchäologischen Auswertung wird dies das zweite große Themenfeld künftiger Interpretationsansätze von Prospektionsdaten sein.

Entwicklungsstufen archäologischer Prospektion. Die Wiener Tagung setzte einen Schwerpunkt auf integrative Ansätze und setzte die Fragen der Visualisierung und landschaftsarchäologischen Interpretation auf die Agenda. Dabei steht die Landschaft bzw. der Raum im Mittelpunkt. Ein nur punktuell andiskutierter, m.E. aber künftig zentraler Forschungsbereich dürfte darin liegen, Boden als Artefakt zu verstehen und propsektierbare Bodeneigenschaften zur Rekonstruktion früherer Landnutzungen heranzuziehen.
(Graphik R. Schreg) 
Im Hinblick auf die Tagung kann man zweifellos feststellen, dass es ihr gelungen ist, den Blick zurück mit einem vielversprechenden Blick nach vorne zu verbinden!

Literaturhinweis

  • W. Neubauer/I. Trinks/R. B. Salisbury u. a. (Hrsg.), Archaeological Prospection. Proceedings of the 10th International Conference - Vienna May 29th - June 2nd 2013 (Wien 2013) 99–100.
 
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