Samstag, 17. September 2011

Landnutzung in der Wüste

Zwischen den Weltkriegen und vor allem nach dem Holocaust ließen sich viele Juden in Palästina nieder - und kamen in eine ihnen völlig fremde Umwelt. Insbesondere die Negev-Wüste bildete für die Siedler - die zumeist wenig landwirtschaftliche Erfahrungen (und schon gar nicht unter solchen Extrembedingungen) mitbrachten - eine Herausforderung: Extreme Trockenheit bei wenigen Starkregenereignissen stellte besondere Anforderungen an das Wassermanagement. Es galt, den Wasserabfluß so zu verlangsamen, dass es nicht zur Erosion der kostbaren Ackerflächen kam, das Wasser zu speichern und die Verdunstung zu reduzieren.

Dabei fiel der Blick auf ältere Landnutzungsspuren:
Vor allem  im Umfeld der berühmten Wüstenstädte wie Shifta oder Avdat haben sich umfangreiche Geländerelikte erhalten, die eine intensive Nutzung belegen. Die Altflurrelikte bestehen aus Steinriegeln und großflächig verteilten Steinhaufen, meist auf den Talflanken gelegen. Diese Flurelemente konnten den Wasserabfluss nach Starkregen bremsen und gezielt in die Täler leiten, wo sich die eigentlichen Felder und Gärten befinden. Durch die lockeren Steinpackungen wird die Sonneneinstrahlung reduziert und die Verdunstung verringert.
Diese Anlagen sind nahe von Shifta im Luftbild gut zu erkennen (wieder bei bing, da die Bilder bei GoogleMaps hier einen geringeren Kontrast aufweisen). Sie datieren wohl von vorgeschichtlicher bis in byzantinische oder gar frühislamische Zeit.


Die Befunde der Negev-Wüste sind aus mehreren Gründen interessant:
1. ist dies ein weiteres Beispiel für eine "applied archaeology".  In den 1950er Jahren begann eine Erforschung dieser Anlagen nicht zuletzt mit dem Ziel,  daraus für die Anlage neuer Landwirtschaftsbetriebe zu lernen.
2. sind die Landnutzungsstrategien die entscheidende Grundlage für die Interaktion von Mensch und Umwelt und damit auch zum Verständnis der Auswirkung von Extremwetterereignissen, Trocken- und Regenperioden, Warm- und Kaltzeiten.
3. sind Steinriegel und -steinhaufen in vielen Landschaften anzutreffen. Vielfach bleiben die üblichen Interpretationen als Lesesteinhaufen oder -riegel unbefriedigend. Das Beispiel der Negev zeigt - in einer landschaftlichen Extremsituation - die Bedeutung solcher Strukturen für das Boden- und Wassermanagement. Insofern sind die Beobachtungen in der Negev-Wüste auch wichtig für das Verständnis der vor allem im byzantinischen Mittelalter geprägten fossilen Kulturlandschaft im Bergland der südwestlichen Krim, die in den vergangenen Jahren in einem Projekt des RGZM erforscht worden sind und deren Publikation derzeit vorbereitet wird.

Literaturhinweis
  • M. Evenari/ L. Shanan/ N. Tadmor, The Negev. The callenge of a desert (Cambridge Mass. 1971).
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