Samstag, 23. März 2024

Stakeholders in der Archäologie: Wer bestimmt, was publiziert werden darf?

Ein zumindest aus der Distanz etwas sonderbarer Fall in Cenneticut/USA wirft Fragen auf, wie weit der Einfluß von Verursachern auf die Auswertungs- und Publikationsstrategien bei Notgrabungen gehen darf.

Im konkreten Fall wurden 2019 Ausgrabungen an einem paläo-indianischen archäologischen Stätte bei Avon notwendig, als die dortige Flußbrücke durch einen Neubau ersetzt wurde. Der kurz zuvor verstorbene Staatsarchäologe Brian D. Jones hatte hier eine paläoindianische Fundstelle lokalisiert, die dann nach ihm benannt wurde.

Die Grabungen wurden nach dem Verursacherprinzip durch Connecticut Department of Transportation (CT DOT) finanziert, die Untersuchungen durch eine private Grabungsfirma durchgeführt. David E. Leslie, einschlägig promoviert an der University of Connecticut übernahm als Director of Research at Heritage Consultants, LLC die Grabungen und Auswertungen - die hier anders als in den Praxis in Deutschland im Verursacherprinzip eingeschlossen sind.

Bald nach den Ausgrabungen erschienen zahlreiche Medienberichte und es wurde in Vorträgen über die Entdeckungen informiert. 2020 erschien in der Fachzeitschrift PaleoAmerica auch ein erster Vorbericht zu den Ausgrabungen (Leslie et al. 2020). Bereits während der Auswertungen war zu erkennen, dass an der Fundstelle mehrere Phasen zu unterscheiden sind, darunter mindestens zwei paläoindianische Komponenten, von denen eine in die frühe paläoindianische Periode datiert wird. Als wichtige Frage wurde formuliert, wie sich diese Mehrfachnutzungen des Brian D. Jones Site in die gesamte paläoindianische Periode im Nordosten einzufügen ist.

In einem Vortrag im Oktober 2021 gab D. Leslie einen Überblick über den Stand der Auswertungen, die viele Erkenntnisse zur Paläotopographie und zur Datierung präsentierte. Anhand der Radiocarbondaten wurden sechs Phasen der palaeoindianischen Nutzung zwischen 12650 und 8000 BP differenziert.

Als im Frühjahr 2023 ein weiterer Artikel in PaleoAmerica publiziert wurde (Leslie / Miller 2023), konnte also bereits auf eine recht solide Arbeit zurückgegriffen werden. Im November 2023 wurde der Artikel auf Druck der Connecticut Department of Transportation zurückgezogen. In einem Statemant dazu heißt es, "The article was not authorized by the relevant authorities responsible for the site and artifacts recovered" (PaleoAmerica).  Der Blog Retraction Watch (23.11.2023) hat den Fall aufgegriffen und dazu von Co-Autor Logan Miller zwar die Aussage erhalten, dass beide  Autoren weiterhin zu ihren Forschungergebnissen stehen, den Fall aber ansonsten nicht weiter kommentieren wollten.

Das Connecticut Department of Transportation stellte gegenüber Retraction Watch fest: "The results and interpretation of the site were published prematurely. The materials uncovered are still in labs being tested. Since all stakeholders did not have a chance to review and provide comment, and interpretations were not yet completed, CTDOT asked for the retraction. A final report [is] expected to be completed by the end of next year."

Das sind nicht etwa Argumente, dass in einem Vertrag zwischen dem Verursacher und der Grabungsfirma ein Mitspracherecht über die Publikationen vereinbart worden sei, es wird hier mit dem Forschungsprozess argumentiert und auf ominöse "stakeholders" verwiesen. Von einem "scientific board", das da vielleicht eingerichtet wurde, ist hier nicht die Rede.

Der Fall wirft also die Frage auf, wer sich bei Verursacher-finanzierten Projekten in die Forschung einmischen darf. Wer sind diese Stakeholder? Es mischt sich hier ja auch nicht eine Denkmalbehörde ein, sondern eine Bauabteilung. Es geht hier auch nicht mehr um grundlegende vielleicht sicherheits- oder datenschutzrelvante Informationen zur Fundstelle, sondern um paläoindianischen Schmuck, zu dem CTDOT sicher keine weiteren Kompetenzen hat - und um die Rechte Indigener scheint es hier ja auch nicht zu gehen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass es nur um Machtspielchen und vielleicht gekränkte Eitelkeiten geht.

In Deutschland gab es hier zuletzt eine Diskussion um die Rolle der Landesämter, die hier vielfach ein Mitspracherecht bei der Publikation oder gar eine Co-Autorenschaft einfordern (Biermann 2021; Zerres 2021). Zu problematisieren sind hier nicht nur die juristischen Rechtsansprüche, sondern auch die Einngriffe in die Wissenschaft. Fachintern sollten hier ja Interessensübereinstimmungen vorliegen; problematisch wird es, wenn außerwissenschaftliche Stakeholder eine Rolle spielen. Dass CTDOT primär an der wissenschaftlichen Qualität des Artikels gelegen hat, ist unglaubhaft, zumal dieser bei PaleoAmerica ein Peer Review durchlaufen hat.


 

Links

Literatur

  • Biermann 2021
    E. Biermann, Publikationsverbot und Zwangslöschung von Veröffentlichungen auf Betreiben des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen (LfDH). Arch. Inf. 44, 2021, 25–45. - https://doi.org/10.11588/AI.2021.1.89121
  • Leslie et al. 2020
    D. E. Leslie / S. P. Sportman / B. D. Jones, The Brian D. Jones Site (4-10B): A Multi-Component Paleoindian Site in Southern New England. PaleoAmerica 6,2, 2020, 199–203. - https://doi.org/10.1080/20555563.2019.1709147
  • Leslie / Miller 2023
    D. E. Leslie / G. L. Miller, RETRACTED ARTICLE: Early Paleoindian Personal Adornment: An Example from the Brian D. Jones Site in Avon, Connecticut. PaleoAmerica 9,1, 2023, 48–59. - https://doi.org/10.1080/20555563.2022.2157930
  • PaleoAmerica 2023
    Statement of Retraction: Early Paleoindian Personal Adornment: An example from the Brian D. Jones Site in Avon, Connecticut. PaleoAmerica 9,3, 2023, 242. - https://doi.org/10.1080/20555563.2023.2279406
  • Zerres 2021
    J. Zerres, Nutzungs- und Publikationsrechte an Grabungsdokumentationen – eine Übersicht zu den Regelungen der Denkmalpflegeämter in Deutschland. Arch. Inf. 44, 2021, 65–70. -  https://doi.org/10.11588/ai.2021.1.89124
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Dienstag, 19. März 2024

Was und wie erzählen wir von der Archäologie?

Archäologisches Kulturerbe hat ein Problem: Funde werden zwar als emotionalisierende Sammelobjekte geschätzt, ihr langfristiger wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Wert wird jedoch kaum wahrgenommen. Sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Politik gilt die Archäologie als faszinierend, aber wenig relevant. Die adäquate Bewahrung des archäologischen Erbes erfordert in Forschung, Denkmalpflege und Lehre eine stärkere Sensibilisierung für die Wissenschaftskommunikation und die Vermittlung des historischen Erkenntniswerts archäologischer Funde und Befunde.

Hier nachgereicht: Mein Beitrag - zusammen mit Viviane Diederich - zum Magazin der Otto-Friedrich-Universität Bambergvom Sommer letzten Jahres, das sich speziell dem kulturellen Erbe gewidmet hat.

Das gesamte Magazin unter: 

Montag, 11. März 2024

SABA 24 - Call for Papers

 

Alle paar Jahre findet in Bamberg das Internationals Studentische Archäologie Symposium Bamberg statt - vom 25. bis 27. Oktober nun bereits zum 6. Mal.
Jetzt gibt es einen Call for Papers (engl.), der sich an Studierende der Archäologichen Wissenschaften wendet, die im Rahmen der tagung beispielswiese ihre Bachelor- oder Masterarbeiten vortsllen und diskutieren wollen.
Das "Studentische Archäologie-Symposium Bamberg" wird von Studierenden der archäologischen Fächer der Otto-Friedrich-Universität Bamberg ausgerichtet und organisiert. Die SABA ermöglicht eine internationale Vernetzung archäologischer Forschung und fördert den studentischen Austausch über Grenzen hinweg.

Link

Interne Links

Sonntag, 3. März 2024

Tot: "Die Trulla vom Denkmalamt, die sich immer so aufspielt"

ZDF, SOKO Stuttgart, Staffel 15, Folge 22 "Das Keltengrab" 

"Auf dem Hügel eines keltischen Fürstengrabes in Hochdorf wird eine Mitarbeiterin des Denkmalamtes tot aufgefunden. Eine dubiose Gruppe selbst ernannter Druiden war am Tatabend dort unterwegs." So wird in der ZDF-Mediathek die Folge der Krimiserie Soko Stuttgart geteasert. 

Die Folge ist voll von Archäolog*innen-Bildern, wobei man zunächst überrascht ist, dass die üblichen Schätze fehlen, niemand pinselt und nur ein Rennofen gefunden worden sein soll.

Aber am Ende gibt es dann doch den verheimlichten Fund, die Archäologen, die eine arme Bäuerin und Mutter durch das Veranlasserprinzip in den Ruin treiben, ein Architektenbüro durch Baustopp in Bedrängnis bringen und den betrügerischen Archäologen, der Funde verheimlicht. Die Denkmalpflegerin, die tot auf dem Grabhügel von Hochdorf gefunden wird, charakterisiert einer der Verdächteigen als "dIe Trulla vom Denkmalamt, die sich immer so aufspielt". Das sind neue Klischees und es ist bedenklich, dass/wie diese entstehen können...

Dann sind da noch die germanischen Vodoo-Druiden, die obendrein mit Funden handeln und rechts sind - leider ist das wohl inzwischen ein viel zu oft zutreffendes Klischee. Diese rechte Unterwanderung der Reenactment-Szene ist im Mainstream angekommen, die ganze Szene abgestempelt.

Immerhin sind Archäologen als Denkmalpfleger und nicht als senil-verwirrte Forscher dargestellt und die Folge beinhaltet nebenbei viele Informationen, wie Archäologie heute funktioniert. Es hätte der Handlung nicht gschadet, wären diese Informationen wenigstens richtig oder präziser.

Ob sich der Drehbuchautor da Rat beim Amt geholt hat, bleibt zweifelhaft. Allerdings: Unter den Info-Broschüren, die das Landesamt für Denkmalpflege auf seiner Homepage anbietet findet sich nichts, das die Organisation der Archäologie im Land wirklich beschreibt und erklärt - am ehesten leistet das noch die Broschüre Denkmalpflege in Baden-Württemberg, die allerdings von 2007 stammt und veraltet ist. 

Samstag, 24. Februar 2024

Politik, Propaganda und Geschäfte mit archäologischen Funden - 2 Jahre russischer Überfall auf die Rest-Ukraine

Vor zwei Jahren hat Russland die Ukraine überfallen. Aus russischer sichthat sie eigentlich nur die Rest-Ukraine überfallen, denn der Krieg begann schon 2014 mit der Annexion der Krim. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht.  Der russische Umgang mit archäologischen Funden verrät einiges über die russischen Kriegsziele.

Im letzten Blogpost (Archaeologik 14.2.2024) zum russischen Krieg gegen die Ukraine standen die Zerstörungen im Mittelpunkt, die Plünderungen der Museen waren nur angedeutet.

 

"Sicherstellungen"

Auch dazu gibt es inzwischen zahlreiche Berichte, die indes in der augenblicklichen Situation kein abschließendes Urteil erlauben und kaum konkrete Objekte benennen. Im Januar 2014 hat Forbes versucht, eine Liste der berühmtesten in der Ukraine geraubten Kunstwerke zusammenzustellen, die aber kaum auf die Archäologie einging.

Bezogen auf archäologische Funde  ist bekannt, dass russische Akteure aus den Museen in Kherson, Mariupol und Melitopol entfernt haben. Nachdem Putin im Oktober 2021 über die besetzten und annektierten Gebiete der Ukraine das Kriegsrecht verhängt hat, "legalisierte" er damit auch eine "Sicherung" der Kulturgüter. Nach internationalem Recht ist dies nicht zulässig, doch wäre es für den Schutz der Objekte möglicherweise tatsächlich sicherer, so aus der Kampfzone heraus zu kommen. 
In Cherson wurden mindestens 10.000 Objekte aus dem Museum abtransportiert (vgl. Archaeologik 18.11.2022). Inzwischen hat sich herausgestellt, dass sie nach Simferopol auf die Krim gebracht wurden, wo sie sich nun unter der Obhut des Zentralmuseums der Krim befinden. Aus Platzgründen sind die rund 10000 Objekte in der Konzerthalle untergebracht.

Im Mai 2022 sagten örtliche Beamte in Mariupol, russische Streitkräfte hätten mehr als 2.000 Kunstwerke aus drei Museen der Stadt geraubt, nachdem sie die Stadt erobert hatten. Die Objekte seien in die von Russland besetzte Stadt Donezk gebracht worden.

In Melitopol wurden unter Aufsicht eines unbekannten Mannes im weißen Laborkittel, beschützt durch russische Soldaten, skythische Goldfunde, darunter ein Helm aus dem Museum abtransportiert (Archaeologik 3.5.2022). Der Verbleib scheint unbekannt.

 
Der goldene skythische Goryt aus einem Kurgan bei Melitopol,
Museum of Historical Treasures of Ukraine
(Foto: VoidWanderer [CC BY-SA 4.0] via WikimediaCommons)


Die Verluste durch die mutmaßliche Plünderung des historischen und künstlerischen Erbes der Ukraine durch Russland werden auf mehrere Hundert Millionen Euro geschätzt. Eine genaue Bilanz wird schwierig sein, denn viele Museumsbestände waren schlecht inventarisiert oder es existierten nur Inventare auf Papier, die nun verschollen sind. In Cherson haben die Russen die Festplatten mit den digitalen Inventarlisten mitgenommen.


"Ausstellungen"

Es zeigt sich vielfach, dass eine vorgebliche "Sicherung" nicht das alleinige und wichtigste Ziel der russischen Abtransporte archäologischer Funde und anderer Kulturgüter darstellt. Schon lange betreibt Putin mit Archäologie Politik, erst zur Selbstdarstellung (Archaeologik 15.8.2011), später zur Inszenierung der russischen Erfolge in Syrien (Archaeologik 9.10.2022). Nun scheint es darum zu gehen, Überlieferungen, die nicht zu dem wirren Geschichstbild Pitins und seines Russlands passen, verschwinden zu lassen.
Die Journalistin Hana Mamonova sagte gegenüber der spanischen Zeitung El País, die Bedeutung des Kunstmuseums in Cherson liege darin, dass es Moskaus Propaganda-Narrativ widerspreche, wonach die Südukraine Teil Russlands sei. Zu den nun deportierten Museumsbestände gehören Objekte vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, die ukrainische Kultur darstellen. 
 
Die politische Bedeutung der Putin'schen Geschichtspolitik wird auch darin deutlich, dass der Chef des Russischen Auslandsgeheimdienstes (SVR) zugleich Präsident der Russischen Historischen Gesellschaft ist. Diese Position hat Sergei Naryshkininne, der jüngst  Pläne bekannt gemacht hat, die  Befestigungen in der östlichen und südlichen Ukraine erforschen zu wollen, "die von Russen und Klein-Russen [gemeint sind die Ukrainer] zur Verteidigung ihres gemeinsamen russischen Vaterlands" gebaut worden seien. Das ist eindeutig politisch motiviert und mit den inhärenten ethnischen Interpretationen methodisch-theoretischer Unsinn. Die Funde sollen dann in das Register der bedeutenden Denkmäler der Russischen Föderation eingetragen werden.

Russland bedient sich der rechtlich in die Ukraine gehörenden Funde für seine eigene Geschichtspropaganda, die versucht, die südliche und östliche Ukraine als russisches Gebiet darzustellen.
 
In Novgorod wurden im Mai 2023 byzantinische Funde von der Krim insbesondere aus Chersonesos bei Sevastopol ausgestellt. Hier wird versucht, Chersonesos als die legendäre Wiege der russischen Christenheit eng mit den Rus im Norden zu verknüpfen (vgl. Archaeologik 22.1.2022).
 
Im Museum in Chersonesos wurde hingegen im September 2023 eine Ausstellung eröffnet, die Grabungsfunde aus einer meso- und neolithischen Siedlung Kamyana Mohyla im russischen besetzten Teil der Region Zaporizhzhya zeigt. Die Ausgrabungen dort wurden dem Museum in Chersonnesos unterstellt, obwohl sie mit der klassischen und byzantinischen Archäologie, die das Museum vertritt, nichts zu tun haben.
 

Auch auf ukrainischer Seite werden archäologische Funde zur Propaganda eingesetzt - allerdings ohne auf eine Manipulation der Vergangenheit zu zielen. In Kiew werden die Funde des Krim-Goldes gezeigt, um die es seit 2014 gerichtliche Auseinandersetzungen gab, weil die Funde zum Zeitpunkt der russischen Besetzung der Krim als Leihgaben bei einer Ausstellung in den Niederlanden waren (vgl. Archaeologik 29.1.2022). Die Ukraine hat den Prozess gewonnen und die Funde zugesprochen bekommen.
 
Auch in den USA sichergestellte Funde - mutmaßlich Raubgrabungsfunde aus den russisch besetzten Gebieten, von denen gleich noch die Rede sein muß -, werden aktuell ebenfalls ausgestellt.


Kriminalarchäologie

Wie in vielen anderen Krisengebieten betreiben nicht nur staatliche Akteure ihre Kulturpolitik mit Museumsfunden, sondern allmählich treten auch die üblichen Hehler, Fälscher und Sammler auf den Plan.

Im Oktober 2023 wurden in Madrid 11 Fundstücke, überwiegend skythischer Goldschmuck im Wert von insgesamt etwa 60 Millionen $ sichergestellt. Drei Spanier und zwei Ukrainer, einer davon ein orthodoxer Priester wurden damals verhaftet. Gefälschte Dokumente wiesen sie als Besitz der ukrainischen orthodoxen Kirche aus. 
Die spanische Polizei publizierte  - u.a. auf TwiX - ein Videos und mehrere Bilder, die nach einem Bericht der New York Times Zweifel daran aufkommen liesen, ob es sich um originale archäologische Funde oder doch eher um Fälschungen handele. In diesem Sinne zitiert die Zeitung Leonid Babenko und Caspar Meyer als Experten.

 
In einem zweiten Fall wurden  im Sommer 2022 am Flughafen John F. Kennedy bei New York eine Streitaxt aus der Bronzezeit sowie ein khazarisches Schwert aus dem 6. Jahrhundert beschlagnahmt, die wahrscheinlich für den amerikanischen Antiquitätenmarkt bestimmt waren, auf. Bei einem der Verdächtigen soll es sich um einen Russen handeln. Die amerikanischen Behörden haben die Objekte 2023 nach Kiew zurück gegeben, wo sie sich nun im Lavra-Museumskomplex befinden. Die Funde wurden wahrscheinlich illegal in der besetzten Südukraine nahe der Krim ausgegraben oder von russischen Truppen beim Ausheben von Schützengräben entdeckt, sagt Maksym Ostapenko, der Direktor des Lavra-Museums,.
 
Raubgrabungen sind bisher vor allem aus dem Bereich des ehemaligen Kakhovk-Dnepr-Stausees bekannt geworden. Nach der vermutlichen Sprengung des Damms durch russische Truppen am 6. Juni 2022, kam es zu einer Überschwemmungskatastrophe mit enormen ökologischen Folgen. Das Wasser ging um bis zu vier Meter zurück und legte Flächen frei, die seit dem Bau des Dammes in den 1950er Jahren überflutet waren. Dabei wurden Funde aus dem Zweiten Weltkrieg aber auch aus früheren Zeiten freigelegt. Berichtet wird beispielsweise von neolithischen und bronzezeitlichen Funden, einem mittelalterlichen Boot und Flintensteinen des 17. Jahrhunderts. Bei der Anlage des Stausees sind mehrere Dörfer und Kirchen im See verschwunden, die nun teilweise wieder aufgetaucht sein müssen, wenn auch in den vorliegenden Berichten v.a. von einer Brücke aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg die Rede ist. Der Bereich liegt unmittelbar an der Front. Dennochsind hier nun Schatzgräber, aber auch einige wenige professionelle Archäologen unterwegs.



Wer sich aktuell mit skythischen und mittelalterlichen Funden oder Kunstobjekten als Sammlerstück oder Wertanlage eindeckt, muß wissen, dass er der Politik Putins in die Hände spielt. Raubgrabungen tragen dazu bei, der Ukraine authentische Zeugnisse ihrer Geschichte zu nehmen - und bieten Putin die Gelegenheit sich selbst als Retter der Kultur und Geschichte aufzuspielen, wie er dies in den letzten Jahren bereits in Syrien inszeniert hat. 

Fazit

Die Ukraine befindet sich im Krieg gegen den Angreifer Rußland. Die genannten Fälle von Museumsraub und Raubgrabungen sind derzeit kaum genauer zu ermitteln, wenngleich die Ukraine extra eine Ermittlungseinheit für solche Kulturgutdelikte aufgestellt hat. Es besteht jedoch der dringende Verdacht, dass neben den zahlreichen Mordfällen und Folterungen an Zivilisten in den russisch besetzten Gebieten auch der russische Umgang mit ukrainischem Kulturgut als Kriegsverbrechen eingestuft werden muß.

Der russische Umgang mit dem Kulturgut der Ukraine zeigt, dass es nicht um die Beseitigung eines vorgeblich "nazistischen Regimes" in der Ukraine geht, sondern um deren Okkupation und Russifizierung. Leider zeigt das eben auch, dass ein Frieden nicht einfach durch Verhandlungen zu erreichen sein wird - eine Chance hätte bestenfalls bestanden, wenn im Vorfeld Geschichts- und Kulturwissenschaften ihre Rolle in der kritischen Dekonstruktion von Mythen und Propaganda gesehen hätten, anstattt sich nun in den Dienst eines inzwischen totalitären Systems und seiner Legitimierung zu stellen. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert habe ich selbst erlebt, wie unter den Kollegen auf der Krim- auch den jungen - ein sehr patriotisches, überwiegend russisches Geschichtsbild dominierte, das an Militär und Heldengeschichten interessiert war. Militärische "Leistungen" auch die der Deutschen und autoritärer Führer - allen voran gleichermaßen Hitler und Stalin - wurden dabei glorifiziert. Auch wissenschaftlich-archäologisches Interesse galt den Herrschaftsäußerungen, aber nicht etwa den Alltags- und Umweltaspekten, wie sie damaks unser Anliegen waren.

Links

Die englische Wikipedia hat einen Eintrag zum Thema:



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